Harmonielehre X: Das war eine ganze Menge

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Gesundes Grundwissen

Falls Du, lieber Leser, alle Lektionen durchgelesen, verstanden und vielleicht auch an einem Instrument nachvollzogen hast, dann hast Du jetzt eine sehr gute Basis. Viele Musiker überleben mit weitaus weniger Fachwissen. Die Anwendung - und vielleicht sogar der Ausbau - des hier Erlernten ist nun Deine Sache. Dazu muss ich unten noch zwei Dinge mit auf den Weg geben:

Erstens, dass gute und komplexe Harmonien in jeder Musikrichtung auftauchen können, und zweitens dass es dem Zusammenwirken mit anderen Musikern gut tut, wenn man die sprachlichen Gepflogenheiten je nach Stilrichtung und Nationalität kennt. Aber der Reihe nach ...

Stilübergreifende Harmonielehre

Ob Klassik, Rock, Reggae, Volksmusik oder Jazz: Die Töne sind letzten Endes immer dieselben und alle hier vorgestellten Harmonien tauchen in jedem dieser Genres auf. Ob ein verminderter Akkord nun in einer klassischen Komposition aus dem 19. Jahrhundert verwendet wird, in einem Blasmusik-Satz rheinischer Stimmungslieder oder Akkordsolo eines Jazz-Gitarristen: Die Töne sind die gleichen. Übrigens erlaubt auch jedes Genre anspruchsvolle Harmoniegestaltung. Wer sich einmal gute Schlager-Arrangements angeschaut und angehört hat, wird wissen, dass Jazz und Klassik kein Patent auf interessante Harmonien haben. Lange bevor Jazzer grausam, überheblich und akademisch dem gewöhnlichen Dur-Akkord den Kampf ansagten, verzauberten Arrangeure von Schlager- und Bigband-Musik bereits die Herzen mit geschmackvoll eingesetzten verminderten und erweiterten Akkorden.

Sprache ist wichtig

Je nachdem, mit wem man musiziert, arrangiert oder komponiert, können Ton- und Akkordbezeichnungen zu massiven Problemen führen. Italienisch ist die Sprache der Musik, allerdings hat die Bedeutung der italienischen Tonbezeichnungen (im Gegensatz zu Dynamik- und Tempoangaben) deutlich abgenommen. Mit den folgenden Tips kann man ganz gut überleben.

Sharp & Flat

Wenn Englisch gesprochen wird, werden Erhöhungen (#) durch den Zusatz »sharp« und Verminderungen (b) durch den Zusatz »flat« gekennzeichnet. Aus C# (Cis) wird also »C sharp« und aus Db (Des) wird »D flat«.

H - B - Bb

In einigen Sprachen - auch in Englisch - gibt es den Ton H nicht, sondern der Ton unter C wird mit B bezeichnet. Das ist nicht ganz unlogisch (natürlich Moll wird dann zum Alphabet a-b-c-d-e-f-g-h), aber Sprache ist nicht linear und das ist auch gut (kreativ) so. Trotzdem muss man darauf vorbereitet sein, dass Musiker aus dem Ausland oder aus dem Jazz-Genre mit B oft ein H meinen und für unser B ein Bb (B flat) schreiben. Oft ergibt sich das auch ohne Nachfragen aus dem musikalischen Kontext. Bei Zappa oder Stockhausen würde ich mich allerdings nicht darauf verlassen.

Dur (major) groß und Moll (minor) klein schreiben

In allen Sprachen gibt man Tonarten und Akkord-Basis bei Dur in Großbuchstaben (C-Dur) und bei Moll (»minor«) in Kleinbuchstaben (a-Moll) an. Manche Arrangeure verwenden für Moll stattdessen einen Großbuchstaben und den Zusatz »m«. Wieder andere gehen auf sicher und verwenden für Moll einen Kleinbuchstaben und den Zusatz »m«. Manche Jazzer geben Moll-Akkorde durch Großbuchstaben gefolgt von einem Minus-Zeichen an. Auch dafür gibt es Gründe, aber ich empfehle die Schreibweise nicht oder nur im reinen Jazz-Kontext.

Damit sind folgende Akkordfolgen exakt gleich, wobei ich die ersten beiden Varianten empfehle.

C a  d7  G7
C am dm7 G7
C Am Dm7 G7
C A- D-7 G7

9 oder add9

In Teil VII wurde der Add9-Akkord kurz vorgestellt. Mit wachsender Beliebtheit im Pop-Genre hört man vermehrt eine falsche Akkordbezeichnung: Wenn der Gitarrist sagt, er spiele »A neun«, dann sollte er auch A9 (den Dominantseptnonenakkord A-C#-E-G-H) spielen und nicht Aadd9 (A-C#-E-H). Oder einfach »A add neun« sagen. Den Sprache ist wichtig.

Das war's

So, von hier aus kann man nur noch auf weiterführende Literatur verweisen. Wer es in Sachen Jazz genau wissen will, kann ja mal nach Herrn Axel Jungbluth suchen. Aber gewiss haben auch andere Leute für dieses oder andere Genres gute Bücher oder Online-Tutorials zu bieten.

Bei aller Theorie darf man aber eines nie vergessen:

Musik wird mit den Ohren gemacht!i

In diesem Sinne: Viel Spaß beim spielen und (zu-) hören.

 

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